
Wie sind Sie zur Vereinigung der gemeinnützigen Stiftungen Liechtenstein gekommen, und was motiviert Sie persönlich in Ihrer Rolle als Geschäftsführerin?
Durch meine berufliche Erfahrung und mein langjähriges ehrenamtliches Engagement in verschiedenen Vereinen und Organisationen hat sich mein Netzwerk im Non-Profit-Bereich ständig erweitert und so erhielt ich 2013 die Möglichkeit, in die VLGST einzutreten. Ich hatte das Privileg, die Vereinigung gemeinsam mit Gründungspräsident Fürstl. Rat Hans Brunhart kontinuierlich weiterzuentwickeln – anfangs mit einem 50%-Pensum, heute gemeinsam mit einem engagierten Team bestehend aus vier Teilzeitmitarbeiterinnen. Der Stiftungssektor fasziniert mich durch seine Vielschichtigkeit und bietet mir eine sinnstiftende Tätigkeit mit viel Gestaltungsspielraum. Seit vier Jahren bin ich zudem Mitglied des Landtags des Fürstentums Liechtenstein und neu auch Fraktionssprecherin. Um dieser Doppelrolle gerecht zu werden, haben wir die Geschäftsführung im April 2025 auf ein Co-Leitungsmodell umgestellt. Ich freue mich sehr, diese verantwortungsvolle Aufgabe künftig gemeinsam mit meiner Kollegin Karin Schöb auszuführen.
Wann und warum wurde die Vereinigung der liechtensteinischen gemeinnützigen Stiftungen gegründet?
Den Ausschlag zur Gründung der VLGST gab die Finanzkrise im Jahr 2008 und die Diskussion rund um den Finanzplatz. Die Liechtensteinische Stiftung war aus Sicht des Auslands umstritten und die wertvolle Arbeit von gemeinnützigen Stiftungen völlig unterbelichtet. Es war wichtig, der Gemeinnützigkeit in Liechtenstein eine Stimme und eine Interessenvertretung zu geben, um sie richtig zu positionieren, ihrer Bedeutung mehr Sichtbarkeit zu geben und gute Rahmenbedingungen zu schaffen.
Wer waren die Gründungsmitglieder und welche Vision hatten sie für die Vereinigung?
Die Gründungsmitglieder, Fürstlicher Rat Hans Brunhart (Gründungspräsident), Dr. Peter Goop und Egbert Appel, teilten den Gedanken, gemeinsam mehr bewegen zu können. Sie sahen die gemeinnützige Stiftung als wertvolles Instrument zur Förderung des Zusammenhalts in der Gesellschaft und eine wichtige Stütze unserer Zivilgesellschaft. Mit der VLGST können die Interessen einer Vielzahl von gemeinnützigen Stiftungen in Liechtenstein gebündelt, deren Potenziale in kooperativer Art und Weise fruchtbar für die Gesellschaft gemacht und Vermögen verantwortungsvoll und nachhaltig eingesetzt werden.
Wie würden Sie das aktuelle Umfeld für gemeinnützige Stiftungen in Liechtenstein beschreiben?
Der Global Philanthropy Environment Index 2022 hat Liechtenstein als den weltweit besten Standort für gemeinnützige Stiftungen ausgezeichnet. Der Index untersuchte 91 Staaten auf ihre Rahmenbedingungen für philanthropisches Engagement. Das innovative und flexible Stiftungsrecht, die guten wirtschaftlichen Voraussetzungen und eine grosse Tradition im sozialen Engagement und der internationalen Zusammenarbeit machen es Stifterinnen und Stiftern besonders leicht, sowohl im In- als auch im Ausland, maximale Wirkung zu erzielen. 2025 wird der Index neu publiziert. Die VLGST rechnet wieder mit einer Spitzenplatzierung Liechtensteins, da die Rahmenbedingungen für gemeinnützige Stiftungen hinsichtlich unternehmerischer Förderungen sogar noch optimiert werden konnten.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für gemeinnützige Stiftungen in den nächsten Jahren?
In einer zunehmend polarisierten Welt wird es für gemeinnützige Stiftungen immer wichtiger, sich aktiv für Grundwerte und Demokratie einzusetzen. Gleichzeitig sehen sie sich mit „Shrinking Spaces“ konfrontiert – also mit wachsenden Einschränkungen für zivilgesellschaftliches Engagement in autoritären oder illiberalen Kontexten. Hier spielt die internationale Vernetzung, ebenso wie die politische Arbeit nationaler Stiftungsverbände eine zentrale Rolle, die sich für günstige Rahmenbedingungen einsetzen.
Gleichzeitig bieten neue technologische Entwicklungen grosse Chancen: Die Digitalisierung kann Stiftungsarbeit effizienter gestalten, Transparenz fördern und die Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg erleichtern. Um langfristig wirksam zu bleiben, müssen gemeinnützige Stiftungen flexibel auf gesellschaftliche und technologische Veränderungen reagieren. Sie sollten verstärkt auf Transparenz, Kooperation und innovative Finanzierungsmodelle setzen, um ihre Legitimität und Wirkungskraft in einer sich wandelnden Welt zu sichern.
Können Sie uns einige Zahlen und Statistiken über die gemeinnützigen Stiftungen in Liechtenstein geben? Zum Beispiel die Anzahl der Stiftungen und ihre finanziellen Beiträge.
Mit 1'398 gemeinnützigen Stiftungen per Ende 2024 konnte ein neuer Höchststand erreicht werden. Dies freut uns natürlich sehr. Leider werden aber keine Zahlen und Daten zu den Fördertätigkeiten von gemeinnützigen Stiftungen erhoben. Laut unserer letzten Umfrage auf freiwilliger Basis lag der Hauptfokus auf den Förderbereichen Soziales, Bildung und Erziehung, Gesundheitswesen und Medizin, sowie Forschung und Wissenschaft. Auch in der internationalen Zusammenarbeit hat Liechtenstein eine grosse Tradition. Allerdings sind die gemeinnützigen Stiftungen nach wie vor sehr zurückhaltend in ihrer Kommunikation und die Zahlen nicht verbindlich. Hier sehen wir eine unserer Hauptaufgaben. Die VLGST mit ihren inzwischen 135 Mitgliedstiftungen und sieben Assoziierten Partnerinnen setzt sich dafür ein, das liechtensteinische Stiftungswirken sichtbar zu machen und mehr Zahlen und Daten über den Sektor zu gewinnen. Eine offene und transparente Kommunikation über die Aktivitäten und das Engagement der gemeinnützigen Stiftungen ist dabei von Bedeutung.
Wie hat sich die Zahl der Stiftungen in den letzten Jahren entwickelt?
Mit rund 15 % machen die gemeinnützigen Stiftungen einen bedeutenden Anteil des liechtensteinischen Stiftungssektors aus. 2010 lag die Zahl der gemeinnützigen Stiftungen noch bei 1'003 und hat sich somit bis heute um 39 % gesteigert, was sowohl auf Neugründungen sowie auf Umwandlungen von privatnützigen zu gemeinnützigen Stiftungen zurückzuführen ist. Wie bereits erwähnt, sind die Rahmenbedingungen für gemeinnützige Stiftungen in Liechtenstein durch die grosse Stifterfreiheit und das liberale Stiftungsrecht sehr attraktiv. Doch der Wettbewerb unter den Stiftungsstandorten gewinnt an Schwung und wir nutzen dies, um die Anliegen unserer Mitglieder für eine zeitgemässe Stiftungsarbeit noch stärker zu vertreten.
Sie haben gesagt, die Vereinigung zählt 142 Mitglieder. Welche Arten von Stiftungen sind vertreten?
Es handelt sich um Förderstiftungen, die in vielfältigen Bereichen aktiv sind. Das Spektrum reicht von operativen Stiftungen, die ausschliesslich eigene Projekte realisieren, bis hin zu Treuhandstiftungen mit bereits in den Statuten fix definierten Begünstigten. Ihr Beitrag für die Gesellschaft ist essenziell: Kaum eine soziale, kulturelle oder sportliche Einrichtung kommt ohne ihre Unterstützung aus. Sie setzen Impulse, stossen positive Veränderungen an und stärken den sozialen Zusammenhalt, indem sie sich fürs Gemeinwohl einsetzen.
Welche wichtigen Fortschritte und Erfolge konnte die Vereinigung seit ihrer Gründung verzeichnen?
Die Vereinigung ist als Stimme der gemeinnützigen Stiftungen sowie als Plattform für den Austausch unter den Mitgliedern und als wichtige Ansprechpartnerin für sämtliche Belange rund um den Philanthropiesektor nicht mehr wegzudenken. Durch ihre gute internationale Vernetzung und Zusammenarbeit mit nationalen Partnerinnen und Behörden ist Liechtenstein zu einem renommierten Standort für gemeinnützige Stiftungen geworden. Sie setzt sich für eine gute Foundation Governance und die Professionalisierung des Sektors ein und unterstützt gemeinnützige Stiftungen bestmöglich, die steigenden Anforderungen und die zunehmende Komplexität zu bewältigen. Dies spiegelt sich auch in der kontinuierlich steigenden Mitgliederzahl der Vereinigung.
Welche grossen Projekte und Ziele hat die Vereinigung für die Zukunft geplant und wie planen Sie als Vereinigung, die Arbeit der gemeinnützigen Stiftungen in Liechtenstein weiter zu unterstützen und zu fördern?
Unser grosses Ziel ist es, durch mehr Transparenz und Digitalisierung die Effizienz und Wirksamkeit des Philanthropiesektors zu erhöhen und Kooperationen – im Gemeinnützigkeitssektor aber auch sektorübergreifend – zu fördern. Damit schaffen wir die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Stiftungslandschaft in Liechtenstein, die auch kommende Generationen inspiriert und trägt.